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Bistum Fulda

Pfingsten 2020 im Hohen Dom zu Fulda

Predigt von Bischof Dr. Michael Gerber

Bischof Gerber: Pfingstpredigt
 

- im Wortlaut -

Liebe Schwestern und Brüder!

An drei verschiedenen Stellen wird uns im Neuen Testament von der Sendung des Geistes berichtet. Drei Momente mit ihrer jeweils eigenen Dramatik:

In der Passion, wie sie uns bei Johannes berichtet wird, heißt es im Moment des Todes Jesu: „(Er) übergab den Geist.“ (Joh 19,30) Das griechische Wort „paredidomai“ meint nicht einfach, er gibt seinen Geist auf. Sondern dieses Wort übersetzt sich mit „übergeben“, „jemandem anvertrauen“.“ Der Moment des qualvollen Todes verweist dem Johannesevangelium zufolge bereits auf eine neue Wirklichkeit. Jesus übergibt seinen Geist, seinen Atem. Johannes lässt im Moment des Todes bereits die Erfahrung von Pfingsten anklingen. Umgekehrt. An Pfingsten geht es nicht um irgendeinen mehr oder weniger von unserer Phantasie gefüllten „guten Geist“. Pfingsten hat seinen Ursprung in der Ganzhingabe Jesu am Kreuz, in seinem Leben und Sterben „für uns“. Die pfingstliche Geistsendung und damit die Geburtstunde der Kirche hat ihre Wurzel in der Dramatik des Karfreitages. Wir müssen damit rechnen, dass jene Dramatik, die, den Anfang kennzeichnet, auch bleibend zur Erscheinungsform der Kirche dazu gehört. Die gerade in unseren Tagen verstärkt vernehmbare Sehnsucht, die Kirche möge doch wieder in das ruhigere Fahrwasser einer Normalität zurückfinden – was auch immer wir unter „Normalität“ verstehen, ist aus menschlicher Perspektive verständlich. Doch fehlt – mit dem Blick auf Pfingsten und die folgend in der Apostelgeschichte beschriebene Dramatik – der Erfüllung dieser Sehnsucht eine biblische Grundlage. Unverständnis und Enttäuschung, Verrat und Tod, Trauer und Hoffnung, Auferstehungsmomente im gebrochenen Brot und der berührten Wunde: Was den Anfang der Kirche kennzeichnet, das charakterisiert bleibend ihren Weg. Die Kirche steht unter dem Geheimnis des Kreuzes. 


Die zweite Stelle im Neuen Testament ist diejenige, die wir eben gehört haben. Jesus haucht die Jünger mit den Worten an: „Empfangt den Heiligen Geist“ (Joh 20,22). Das klingt deutlich undramatischer: Menschliche Nähe, eine Runde unter Freunden im engsten Kreis.

Doch lesen wir in unseren Tagen diese Stelle noch einmal anders. „Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an…“. Wir tun in diesen Tagen alles, um genau diesen Vorgang zu verhindern, weil wir wissen, wie gefährlich das sein kann in Bezug auf die Übertragung des Coronavirus. Die Ereignisse in den Baptistengemeinden in Frankfurt und Bremerhaven haben uns dies eindrücklich vor Augen geführt. Vielleicht ist das in unseren Tagen ein sehr gewagtes Bild – wir erleben durch den Virus, dass das Angehaucht werden eine größere Wirkung entfalten kann.

Wer sich von Jesu Geist anhauchen lässt, muss damit rechnen, dass er oder sie bleibend verändert wird. Will ich das? Wir wissen sehr schnell, was sich wie alles in unserer Welt verändern müsste – und wir haben unsere guten Gründe dafür. Ja wir haben Sorge, dass manche Veränderung, die längst hätte geschehen sollen, etwa im Bereich der Ökologie, nicht mehr rechtzeitig vollzogen werden kann. Wir wissen sehr schnell, wer sich in unserer kleinen und großen Welt wie verändern müsste. Wer sich von Jesu Geist anhauchen lässt, muss damit rechnen, dass er oder sie bleibend verändert wird. Will ich das? Bin ich fertig oder - will ich ein Leben lang wachsen?
Bin ich bereit, neue Erfahrungen als wirklich neue Erfahrungen zu machen und diese nicht gleich in alte Schubladen einzuordnen?

Bin ich bereit, mir neue Perspektiven, neue Facetten der einen Wirklichkeit zeigen zu lassen und nicht gleich vorzusortieren, wem höre ich grundsätzlich zu und wem niemals?
Fragen wir uns in diesen pfingstlichen Tagen: Welche Erfahrung habe ich in dieser Coronazeit neu gemacht? Was habe ich gelernt? Wo hat sich mein Horizont geweitet?

Die dritte Stelle, die im Neuen Testament von der pfingstlichen Geistsendung berichtet, ist die Bekannteste: Das Ereignis 50 Tage nach der Auferstehung. Stellen wir uns die Szene plastisch vor Augen. Die Frauen und Männer sind zusammen „am selben Ort“ (Apg 2,1), vermutlich im Obergemach, von dem es kurz zuvor geheißen hatte, dass sie dort „nun ständig blieben“ (Apg 1,13). Jetzt erfüllt ein Brausen, wie ein heftiger Sturm „das ganze Haus“ (Apg 2,2). Was ist unsere Reaktion, wenn wir im Haus sind und plötzlich stürmt es ins Haus? Wir strömen aus, kontrollieren alle Fenster und Türen und dichten so das Haus ab. Möge der Sturm uns die Blätter, die wir sorgsam auf dem Schreibtisch geordnet haben, nicht durcheinander bringen. Pfingsten wirbelt – bildlich gesprochen – die Blätter der Jünger Jesu gehörig durcheinander. Pfingsten weht diese Blätter aber nicht einfach weg, sondern bringt sie in eine neue Ordnung: 


Außen und Innen treten in eine neue Kommunikation miteinander. Das „Innen“ der Jünger, also die Erfahrungen, die sie mit Jesus gemacht haben, seine Worte, ihre Gemeinschaft untereinander und ihre darin begonnene Tradition, miteinander das Brot zu brechen, das bleibt Wesenskern der entstehenden Kirche - bis heute. An Pfingsten tritt dies unvermittelt in einen bislang ungekannten Dialog mit dem „Außen“. „Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.“ (Apg 2,11)

Wir können uns das bildlich vorstellen: Drinnen die Frauen und Männer – vereint im Gebet, im Hören auf das Wort Gottes. Draußen die Stimmen der Menschen in den unterschiedlichen Sprachen, der Rumor der Straße wird lauter und weckt in den Jüngern unangenehme Erinnerungen an die Volksmenge, die noch vor wenigen Wochen das „Kreuzige ihn“ rief. Schnell die Fenster zu. Nur zu gut, dass wir angesichts des Lärms auf den Straßen heute unsere mehrfach verglasten Fenster haben.

Eine Erfahrung vor einigen Jahren, die mich hellhörig und bleibend nachdenklich gemacht hat: Fasnachtssonntag und wir feiern in der Kirche des Freiburger Priesterseminars die Eucharistie. In die kurze Stille vor dem Halleluja tönt plötzlich von draußen die Musik eines Spielmannszuges, der auf der Straße vorbeizieht. Leichtes Schmunzeln und auch Ärger: Muss das sein, so früh schon am Sonntagmorgen? Da setzt die Orgel ein zum Vorspiel für das Halleluja. Und unser Organist, Christoph Hönerlage, heute verdienter Kirchenmusikprofessor in Regensburg, greift in der Kirche mit dem Orgelspiel auf geniale Weise den Takt des Spielmannszuges von draußen auf und bringt so das Halleluja neu zum Klingen. Eine pfingstliche Erfahrung und ein bleibender Auftrag für unsere Kirche: Den Takt und die Melodie der Menschen von heute aufgreifen und so das Halleluja, die Botschaft vom Auferstandenen neu und zugleich authentisch zum Klingen zu bringen.

Vergangenen Sonntag, unmittelbar nach dem Gottesdienst durfte ich das wiederum erfahren – gleich nebenan in unserer alterwürdigen Michaelskirche. Der Raum füllte sich mit dem Klang der Pfingstsequenz, welche die Kirche seit vielen Jahrhunderten am heutigen Tage singt. Die tiefe Sehnsucht „Komm herab, o Heiliger Geist“. Zusammenklang – Kirchenraum – Gesang – Orgel – und ein weiteres Element, das wir eher außerhalb der Kirche kennen: Der Tanz. Eine Gruppe von Tänzerinnen bewegte sich in immer neuen Formationen durch die ganze Kirche. Was gesungen wurde, fand durch die Tanzenden neu einen Ausdruck und wurde so zur Botschaft. Jetzt, wenn unsere jungen Sängerinnen hier im Dom die Sequenz anstimmen, werden Sie zuhause zeitgleich auf den Bildschirmen das Video mit der gesungenen und getanzten Pfingstsequenz aus der Michaelskirche sehen. Wir hatten es produziert für eine große internationalen virtuellen Gebetszeit unter dem Motto „Gemeinsam vor Pfingsten“ am vergangenen Donnerstag. 


„Dring bis auf der Seele Grund“ – werden wir gleich in der Sequenz hören. Eindrucksvoll dargestellt von der jüngsten Tänzerin im ältesten Teil der Michaelskirche, der Krypta, einem der ältesten Kirchenräume Deutschlands überhaupt. Bitten wir den Heiligen Geist, dass genau das in unseren Tagen geschieht, dass Ältestes und Jüngstes, der Schatz der Kirche und die Gegenwart neu miteinander in Schwingung gerät und die Botschaft des Auferstandenen so uns selbst mit Leib und Seele in Bewegung bringt, Amen.




31.05.2020


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